Stratigraphie des Unteren Muschelkalks

Am Ende des 19. Jahrhunderts konnte FRANTZEN vor allem auf Grundlage der Untersuchungen von EMMRICH, FRANTZEN, GIEBELHAUSEN, ECK und VON KOENEN eine lithostratigraphische Gliederung des Unteren Muschelkalks erarbeiten, die sich in ganz Mitteldeutschlands anwenden lässt: Von Wellenkalken dominierte Abschnitte werden durch Horizonte unterbrochen, in denen sich charakteristische Kalkbänke, die "Leitbänke" anhäufen.
Man unterscheidet den

  • Horizont der Oolithbänke mit den Oolithbänken alpha und beta, den
  • Horizont der Terebratelbänke mit der Unteren und der Oberen Terebratelbank und den
  • Horizont der Schaumkalkbänke mit der Unteren, Mittleren und Oberen Schaumkalkbank.

Erstaunlich ist, dass sich nicht nur die sieben genannten Leitbänke im Beckenzentrum ohne größere Probleme parallelisieren lassen, sondern dass auch die von Wellenkalken dominierten Profilabschnitte Horizonte enthalten, in denen sich Hartgründe und komponentenreichere Kalkbänke häufen.
Diese lassen sich leicht finden, wenn man gut dokumentierte Profile auf der Grundlage von Kleinzyklen (Zyklen 4. Ordnung, hochfrequente Zyklen, Parasequenzen) gliedert, wie von FIEGE (1938), SCHÜLLER (1967) und SCHULZ (1972) in Teilen Ostwestfalens, Südniedersachsens und Nordhessens erstmals durchgeführt.
Diese Zyklengliederung wurde von KRAMM (1986, 1994, 1997, 2000) mehrfach überarbeitet und als Grundlage einer Korrelation zahlreicher mitteldeutscher Profile angewendet (1997). Die Zyklengliederung des Unteren Muschelkalks von Blatt Creuzburg (GÖTZ 1994) stimmt bis in Einzelheiten mit der von KRAMM (1994) überein.
Inzwischen kann der Untere Muschelkalk in Hessen, Unterfranken, Nordwestthüringen, Südniedersachsen und Sachsen-Anhalt in 21 Abschnitte untergliedert werden. Diese Abschnitte können nur bedingt als Zeitscheiben interpretiert werden, da die Zyklengrenzen im proximalen und distalen Bereichen des Ablagerungsraums nicht zeitgleich zu sein scheinen.
Ein Vergleich von Fazies und Mächtigkeit dieser 21 Sedimentscheiben, deren Daten durch ein feinmaschiges Netz von einheitlich aufgenommenen Profilen erfasst sind, soll ermöglichen, die Veränderungen der Faziesverteilung des Germanischen Beckens während des Unteren Muschelkalks zu dokumentieren, mit dem Ziel, beckenweite Meeresspiegelschwankungen von regional-tektonischen Ereignissen zu unterscheiden.
Zum anderen ist eine Feinstratigraphie auf lithostratigraphischer Grundlage die Voraussetzung für ein sinnvolles und praktikables horizontiertes Aufsammeln von Fossilien.




Bild 1 und Bild 2: Profilaufnahmen in Südniedersachsen durch M. Schulz und E. Kramm

Situation in Thüringen

Im thüringischen Unteren Muschelkalk lassen sich überall die drei Leitbankhorizonte nachweisen. Dennoch weist die Ausbildung des Unteren Muschelkalks in den einzelnen Regionen erhebliche Unterschiede auf.
In NW-Thüringen lehnt sich der Aufbau eng an die Verhältnisse in Nordhessen und Südniedersachsen an. Charakteristisch ist die Mächtigkeitsreduktion der ersten vier Zyklen und die Verbreitung von Gelbkalken im Bereich der Leitbänke. In NE-Thüringen, z.B. an der Finne, ist eine Mächtigkeitszunahme im Unteren und Mittleren Wellenkalk zu verzeichnen (vgl. Profil Burgwenden). Die Oolithbänke gehen in mächtige helle Schaumkalke über. Die unteren vier Zyklen sind vollständig ausgebildet. Wie im Raum Jena und in Südthüringen ist ein zweiter Gelbhorizont wenige Meter über dem Grenzgelbkalk ausgebildet. Nach Süden hin geht die Mächtigkeit der Oolith- und Terebratelbänke allmählich zurück. Im Raum Jena dominieren im Unteren Wellenkalk bröcklige Wellenkalke (vgl. Gliederung des Jenaer Profils), die von wenigen Zentimeter mächtigen, horizontbeständigen Intraklastbänken (f1 - f4 WAGNERs) unterbrochen werden. Im Unteren Wellenkalk wechseln mergelige Wellenkalke mit wulstigen Kalken. Die zahlreichen Intraklastbänke sind nur schwer korrelierbar. Die Meininger Gegend zeigt besonders große Mächtigkeiten im Oberen Wellenkalk. Slumps sind in diesem Bereich besonders häufig. Während der Untere Wellenkalk mit dem NW-Thüringens und Osthessens vergleichbar ist, lassen sich im stärker wellenkalkdominierten Mittleren Wellenkalk die aus Hessen bekannten Leithorizonte unterhalb der Thüringischen Spiriferinabank nur noch schwer finden.


Feinstratigraphische Gliederung des Jenaer Profils

Es hat in den letzten 100 Jahren nicht an Versuchen gefehlt, die Schichtenfolge des Unteren Muschelkalks von Jena lithostratigraphisch mit Profilen westlich des Thüringer Waldes zu parallelisieren (WAGNER 1897, SCHULZ 1972). Leider zeigen die Profile im Raum Jena nicht die ausgeprägte Zyklizität wie die nordhessischen. Bisher publizierte hypothetische Zyklengliederungen (z.B KEDZIERSKI 2000, KNAUST 1998) sind daher für die Feinstratigraphie unbrauchbar.
Mitglieder des Triasvereins haben daher versucht, in möglichst großer Dichte Profile zwischen Fulda und Jena aufzunehmen, um die Vertreter der hessischen Kleinzyklen auch in Südthüringen wiederzufinden. Dies ist inzwischen gelungen.



Bild 3: Trockenrisse im "2. Gelbhorizont", Zyklus muI a von Geilsdorf

Bild 4: Debris flows sind im Unteren Wellenkalk des Thüringer Beckens weit verbreitet, hier im muI e von Geilsdorf.

Zum Profil durch den Unteren Muschelkalk von Burgwenden

Bei Burgwenden ist im Bereich der Finnestörung fast der gesamte Untere Muschelkalk (vom Grenzgelbkalk bis unterhalb der Unteren Schaumkalkbank) aufgeschlossen (KRAMM 2000). Die ausgezeichneten Aufschlussverhältnisse erlauben es, die zyklische Gliederung der Abfolge in Anlehnung an SCHÜLLER (1965), SCHULZ (1972), und KRAMM (1997) zu erkennen.
Von besonderem Interesse ist der Untere Wellenkalk unterhalb der Unteren Oolithbank, der mit 45 m die größte Mächtigkeit in ganz Thüringen erreicht. Die ausgesprochen große Mächtigkeit geht nur auf die vollständige Ausbildung der untersten Kleinzyklen zurück, die in weiten Teilen Thüringens, Hessens und Südniedersachsens stark reduziert sind und keine deutliche Zyklizität aufweist. Das Profil zeigt deutlich, dass der Untere Bereich (muIa- c) nicht, wie bisher angenommen, drei sondern vier Zyklen enthält (bisherige Benennung muIa1, muIa2, muIb, muI c). Auffällig mächtig ist der "2. Gelbhorizont", ein Gelbkalk im Zyklus muIa1, der in geringerer Mächtigkeit auch in Südthüringen nachweisbar ist.
Die größten Probleme bereitet in Burgwenden die Parallelisierung der Oberen Oolithbank, die offenbar der Oberen Ooithbank in den Profilen Sachsen-Anhalts entspricht. Es gibt Hinweise darauf, dass diese Bank nicht mit der Oberen Oolithbank Hessens und NW-Thüringens gleichzusetzen ist, sondern der Bankfolge des Zyklus muIIb zuzuordnen ist (Oolithbank beta2 v. FREYBERGs bei Treffurt). Der Zyklus muIIa scheint komplett zu fehlen. Die Ausbildung des Mittleren Wellenkalks, gekennzeichnet durch die Dominanz bröckliger Wellenkalke sowie das Vorkommen der Konglomeratbank f1 und der Spiriferinabank, ähnelt weitgehend der im Raum Jena.



Bild 5: Horizont der Oolithbänke bei Burgwenden. alpha: Untere Oolithbank; beta2: Obere Oolithbank Sachsen-Anhalts

Literatur

FIEGE, K. (1938): Die Epirogenese des Unteren Muschelkalkes in Nordwestdeutschland. - Zentr. Mineral. Geol. Paläont., 1938 B: 143-170; Stuttgart.
FRANTZEN, W. (1889): Untersuchungen über die Gliederung des Unteren Muschelkalks im nordöstlichen Westfalen und im südwestlichen Hannover. - Jb. Kgl. Preuss. Geol. Landesanst. u. Bergakad., 1888: 453-497; Berlin.
FRANTZEN, W. & KOENEN, A. VON (1889): Über die Gliederung des Wellenkalks im mittleren und nordwestlichen Deutschland. - Jb. Kgl. Preuss. Geol. Landesanst. u. Bergakad., 1888: 440-452; Berlin.
GÖTZ, A. E. (1994): Feinstratigraphie und Zyklengliederung im Unteren Muschelkalk (Raum Creuzburg - Westthüringen). - Beitr. Geol. Thüringen, N.F., 1: 3-12; Jena.
KEDZIERSKI, JAROSLAW (2000): Sequenzstratigraphie des Muschelkalks im östlichen Teil des germanischen Beckens.-- Diss. Univ. Halle; Halle.
KNAUST, D. (1998): Trace fossils and ichnofabrics on the Lower Muschelkalk carbonate ramp (Triassic) of Germany: tool for a high-resolution sequence stratigraphy. - Geol. Rundsch., 87: 21-31; Berlin.
KRAMM, E. (1994): Feinstratigraphie und Zyklengliederung im Unteren Muschelkalk (Trias, Anis) der Rhön (Mitteldeutschland).- Beitr. Naturkde. Osthessen, 29: 5-34, 4 Abb., 4 Taf., Fulda.
KRAMM, E. (1997): Stratigraphie des Unteren Muschelkalks im Germanischen Becken.- Geologica et Palaeontologica, 31: 215-234; 10 Abb., 2 Tab., 3 Taf., Marburg.
KRAMM, E. (2000): Ein Profil durch den Unteren Muschelkalks von Burgwenden (Nordthüringen).- Beitr. Geol. Thüringen NF., 7: 125-136, 4 Abb., 3 Tab., 2 Beil., Jena.
SCHÜLLER, MANFRED (1965): Petrographie, Stratinomie und Feinstratigraphie des Unteren Muschelkalks in Südniedersachsen und Nordhessen.-- Diss. Univ. Kiel.- 145 S.; Kiel.
SCHÜLLER, M. (1967): Petrographie und Feinstratigraphie des Unteren Muschelkalks in Südniedersachsen und Nordhessen. - Sed. Geol., 1: 353-401; Amsterdam.
SCHULZ, M.-G. (1972): Feinstratigraphie und Zyklengliederung des Unteren Muschelkalks in N-Hessen. - Mitt. Geol.-Paläont. Inst. Univ. Hamburg, 41: 133-170; Hamburg.
WAGNER, RICHARD (1897): Beitrag zur genaueren Kenntnis des Muschelkalks bei Jena.-- Abh. königl.-preuß. geol. Landesanst. u. Bergakad., N.F. 27: 1-106, 7 Abb., 2 Taf.; Berlin.