Das besondere Fossil

Januar 2009- „black layer“ auf Ceratites flexuosus?
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Oberer Muschelkalk, Troistedt, DE = 7,1 cm, 2,4 m über Tetractinella–Bank,
Vor der Gehäusemündung wird ein zungenförmiger dunkler Belag sichtbar. Diese von einigen Ceratiten bekannte Bildung wird von KLUG et.al.(2004) mit der „black layer“ des rezenten Nautilus verglichen.
Slg.: K. Erhardt

In der renommierten Zeitschrift „Palaeontology“, Vol. 47, Part 6, 2004, wurde von den Autoren KLUG, C., KORN, D., RICHTER, U. und URLICHS, M. unter dem Titel: „The black layer in Cephalopods from the German Muschelkalk (Triassic)“ über schwarze Strukturen an der Gehäusemündung bei Ceratiten berichtet, die der bekannten „black layer“ -Bildung beim rezenten Nautilus entsprechen sollen.



Abb. 1: Die Nautilus Gehäuseröhre entsteht erst durch „Anschweißen“ der offenen Schale an die Lateralseiten der darunter liegenden Windung. Der auf ihr direkt aufliegende Weichkörper scheidet die „black layer“ aus, die vor der Gehäusemündung als Unterlage für den Kopffuß und die Kopfkappe dient. Die Gehäusedarstellung von KLUG et. al. (2004) für Ceratites beruht auf der Unkenntnis der grundlegend morphologischen Unterschiede zwischen dem rezenten Nautilus und allen Ammonoideen. Die Ansicht der „black layer“ im Inneren einer Ceratiten-Wohnkammer ist unrealistisch und deshalb falsch.


Die frontale Abbildung des C. spinosus zeigt, wie vom rezenten Nautilus bekannt, die „black layer“ weit in das Innere der Wohnkammer reichend. Unmittelbar auf ihr liegen bei Nautilus der dorsale Mantel und die Kopfkappe. Die jeweilige Übereinstimmung der identischen Position der schwarzen Substanzen vor der Gehäusemündung erscheint eindeutig, denn dadurch entsteht der Eindruck für die Gleichförmigkeit der Morphologie und Funktion des Weichkörpers von Nautilus und Ceratites. Mit dieser plausiblen Kongruenz wird gleichzeitig auf einfachste Art und Weise sowohl die Rekonstruktion eines Ceratiten-Tieres mit Greifarmen und Kopfkappe sowie daraus schlussfolgernd auch die seiner schwimmenden Lebensweise übernommen (Abb. 1).



Abb. 2: Die Lebendrekonstruktion von „Ceratites spinosus“ mit Kopfkappe und schwarzer Schicht ist faktisch identisch von einem rezenten Nautilus übernommen. Wie hätten wohl die Verfasser (KLUG, C. et. al. 2004) das Aussehen des Kopffußes gezeichnet, wenn auch von Nautilus als ein nachfahrenloses Fossil nur das Gehäuse überliefert wäre?


Legt man dieser Darstellung die reale Gehäuse-Morphologie der Ammonoideen zugrunde, so kommt man zu einem ganz anderen Ergebnis, denn die frontale Abbildung des spinosen Ceratiten mit der weit in das Innere der Wohnkammer reichenden „black layer“ zeigt die Morphologie eines rezenten Nautilus-Gehäuses und nicht die eines Ceratiten. Im Unterschied zu den Nautiliden steckt bekanntlich der Weichkörper aller Ammonoideen in einer in sich geschlossenen planspiral aufgerollten Röhre (Abb. 3). Daher ist eine Konstellation wie in der Zeichnung (Abb. 1) dargestellt von vornherein grundsätzlich fehlerhaft.



Abb. 3: Das Ceratiten-Gehäuse ist im Unterschied zu Nautilus eine planspiral aufgerollte in sich geschlossene Röhre. Der in ihr liegende Weichkörper haftet flächig an der gesamten inneren Gehäusewand der Wohnkammer. Die schwarze Substanz wird auf die darunter liegende Röhre ausgeschieden (Zeichnung: S. Brandt).


Weil damit nachweislich bereits die frontale zeichnerische Darstellung als Ceratiten-Gehäuse generell falsch ist, kann davon ausgegangen werden, dass auch die mit „black layer“ bezeichneten Bildungen bei Ceratites Fehldiagnosen sind. Der Nachweis dafür ist denkbar einfach. Die schwarze Substanz vor der Mündung des Ceratiten-Gehäuses ist eine Bildung am Ontogenie-Ende. Zur Ausscheidung dieser schwarzen Lage vor der Gehäusemündung musste die Haftung des Mantels aus seiner Wohnkammer-Röhre auf die darunter liegende Windung verlagert werden (Abb. 3).

Eine auf diese Weise kontinuierlich gebildete schwarze Schicht würde freilich beim Gehäuse-Wachstum stets wieder unter der Wohnkammer-Röhre verschwinden und wäre damit nie im Inneren der Wohnkammer sichtbar. Folgerichtig müsste die schwarze Substanz dann aber durchgängig auf der Externseite des überwachsenen Phragmokons nachzuweisen sein. Dies ist jedoch bekanntlich nicht der Fall (Abb. 4).



Abb. 4: Ceratites evolutus mit „schwarzer Substanz“ (leg. S. Brandt). Die Pfeile markieren die 180° für die Ausdehnung der ursprünglichen Wohnkammer mit der davor begrenzt ausgeschiedenen schwarzen Lage.


Die schwarze Lage vor der Gehäusemündung der Ceratiten ist eine flächenhaft begrenzte Bildung des Mantels am Ende der Ontogenie einiger Individuen. Sie scheidet somit auch als Haftfläche für eine imaginäre Kopfkappe aus. Die dünne schwarze Lage vor der Gehäuse-Mündung wird bei Ceratites nur gelegentlich ausgeschieden. In Thüringen ist die Häufigkeit dieser seit langem bekannten Bildungen in den jeweiligen Ceratiten-Biozonen unterschiedlich. Flexuosus-Zone = 5%, sequens/pulcher-Zone = 4%, compressus-Zone = 1% und spinosus-Zone = 0,08%. In der praenodosus- und nodosus-Zone scheint sich jedoch ihr prozentualer Anteil wieder zu erhöhen.

Wie alle Beispiele zeigen, werden diese schwarzen Beläge als Besonderheit lediglich kurzzeitig im letzten Ontogeniestadium einzelner Individuen vor der Gehäusemündung ausgeschieden. Die Ursache für diese Sonderbildung wird erst verständlich, wenn ein weiterer grundsätzlich physiologisch/funktioneller Unterschied zwischen Nautilus und Ceratites berücksichtigt wird.

Der Mantel von Nautilus haftet in der hinteren Wohnkammer lediglich an den Muskelansatzstellen und einem schmalen Streifen an der Gehäusemündung und ermöglicht damit das Zurückziehen des Kopffußes in das schützende Gehäuse.Im Gegensatz dazu haftet der Weichkörper von Ceratites an der gesamten Gehäuseinnenwand (nachweisbar mit forma conclusa, vgl. REIN 2005) und der Kopffuß vor der Mündung auf der Externseite der darunter liegenden Windung. Er kann folglich auch nicht in das Gehäuse zurückgezogen werden (nachweisbar mit forma refecta, vgl. REIN 2005). Bei der zusätzlichen Ausscheidung der schwarzen Substanz vor der Gehäuse-Mündung handelt sich offensichtlich um eine funktionelle Reaktion auf einseitig verändert wirkende Kräfte zur vergrößerten Haftung des Kopffußes. Dabei korreliert die Ausbildung der schwarzen Substanz häufig mit der beginnenden Skulpturabschwächung am Ende der Ontogenese. Bei einigen Individuen ist die Bildung kausal exogen verursacht oder pathologisch begründet. Der eng begrenzte Zeitraum am Ontogenie-Ende lässt vermuten, dass die Ursache der Bildung irreparabel ist und mit dem Tod des Individuums endet (REIN 2008 im Druck).
Eindeutig ist jedoch, dass sowohl Ausbildung, Lage und Funktion der schwarzen Beläge von Nautilus und Ceratites nicht identisch sind. Ihre Gleichstellung als Nautilus-„black layer“ mit zusätzlicher Kopfkappe bei Ceratites ist eine krasse Fehldeutung.

Literatur:

KLUG, C., KORN, D., RICHTER, U. & URLICHS, M. (2004): The black layer in Cephalopods from the German Muschelkalk (Triassic).- Palaeontology, Vol. 47, Part 6, pp. 1407-1425, Fig. 11
REIN, S. (2005): Zur Biologie der Ceratiten der spinosus-Zone - Ergebnisse einer Populationsanalyse -; Teil III: Schlussfolgerungen zur biologischen Organisation und Lebensweise des Ceratitentieres.- Veröff. Naturkundemuseum Erfurt, 24: 13-34, 18 Abb., Erfurt.
REIN, S. (2008 im Druck): „Black layer“ bei Ceratites – eine Fehldiagnose und ihre Konsequenzen.- Veröff. Naturhist. Mus. Schleusingen, 23: Schleusingen.