Das besondere Fossil

Mai 2008- Ceratites evolutus mit „Eierbeutel“?
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Ceratites evolutus mit „Eierbeutel“?

Oberer Muschelkalk von Ballenstedt,
DE = 10 cm, Original von MÜLLER 1969

Beschreibung:

LEHMANN (1967) deutete bei der Durchmusterung des Wohnkammer-Inhaltes von Exemplaren der Gattung Eleganticeras aus den Ahrensburger Geschieben dunkle Strukturen als Tintenbeutel. Wenig später beschrieb MÜLLER (1969) in der mikritisch verfüllten Wohnkammer eines Ceratiten einen Eierbeutel. LEHMANN erkannte bald danach offiziell seinen Irrtum und auch MÜLLER zweifelte bereits wenig später an der Berechtigung seiner Beschreibung (mündl. Mitt. Prof. Schneider). URLICHS (2006) allerdings sieht darin einen eindeutigen Nachweis von Geschlechtdimorphismus bei Ceratites wenn er schreibt:

„Bei dem von MÜLLER (1969) beschriebenen Ceratites evolutus mit einem „Eierbeutel“ in der Wohnkammerfüllung handelt es sich um einen Makrokonch, wie durch einen Vergleich adulter Makro- und Mikrokonche mit diesem Exemplar nachgewiesen wurde. Somit sind die Makrokonche die Weibchen und die Mikrokonche die Männchen.“

Aus diesem Anlass soll nochmals auf die Möglichkeit der fossilen Erhaltung organischer Substanzen in der Wohnkammer-Verfüllung bei Ceratites im Oberen Muschelkalk eingegangen werden.
Fossil überlieferungsfähige Bestandteile des Ceratiten-Organismus sind ausschließlich die hornigen Substanzen der Mundwerkzeuge.


Abb. 2: Liegende Seite eines C. spinosus (DE = 166 mm) mit paarig in-situ liegenden ursprünglich hornigen Mundwerkzeugen (REIN 2003). In-situ eingebettete Mundwerkzeuge der Ceratiten liegen im Wohnkammer-Bereich stets in einer feinkörnigen gelblich/ockerfarbigen Mergellage. Sie wird als diagenetisches Endprodukt der Reste des einstigen Weichkörpers gedeutet. Voraussetzung für die Konservierung der ursprünglich wahrscheinlich hornigen Mundwerkzeuge ist eine rasche Sediment-Schüttung über die auf der unteren Gehäuseseite noch haftenden Weichkörper-Reste. Die somit unvollständige Sediment-Verfüllung der Wohnkammer bewirkt, dass nach der diagenetischen Lösung der aragonitischen Ceratiten-Schale auf dem Steinkern lediglich eine mit gelblichem Mergel verfüllte Vertiefung entsteht. Diese dedolomitische Substanz ist der einzige im Muschelkalk fossil erhaltungsfähige Rest des einstigen Weichkörpers und die häufig kohligen Überreste der Mundwerkzeuge darin sind der Nachweis als Bestandteil dieses Weichkörpers.




Abb. 3: Beispiel für die Einbettung eines „Mundwerkzeug“-Restes im Dedolomit – der fossilen Erhaltungsform von organischen Substanzen (REIN 2003).




Abb. 4: Ceratites spinosus juv. mit Holzrest in der Wohnkammer Oberer Muschelkalk, spinosus-Zone, Isseroda, Größe = 6,1 cm, Slg. P. Thieme


Neben postmortalen Verfüllungen der Ceratiten-Wohnkammern mit Mikrit sind es vor allem Reste von eingeschwemmten Gastropoden- und Bivalvenschalen, seltener juvenile Ceratitengehäuse (REIN 1993), Fischreste (REIN & RIEDEL 1987) oder ein fälschlich als Ceratitenkiefer gedeuteter Conchorhynchus avirostris (SCHMIDT-EFFING 1972). Dazu gehören auch gelegentlich eingeschwemmte verkieselte Holzreste.
Derartige kompakte Objekte sind wie die als „Eierbeutel“ gedeutete Struktur postmortal passiv in das leere Gehäuse gelangt und somit keine Bestandteile des Ceratitentieres.


Literatur:

LEHMANN, U. (1967): Ammoniten mit Tintenbeutel.-
Paläont. Z., 41: 132.136, Stuttgart.
MÜLLER, A. H. (1969): Ammoniten mit "Eierbeutel" und die Frage nach dem Sexualdimorphismus der Ceratiten (Cephalopoda).-
Mb. d. DAW, 11; 5/6: 411-420, 3 Abb., Berlin.
REIN, S. & RIEDEL, G.-R. (1987): Biologische Strukturen auf Ceratitensteinkernen.-
Veröff. Naturkundemuseum Erfurt, 6: 64-70, 4 Taf., Erfurt.
REIN, S. (1993): Juvenile Ceratiten aus dem Hauptmuschelkalk (Anis-Ladin, Mittel-Trias).-
Veröff. Naturhist. Mus. Schleusingen, 7/8, 9-15, 1 Abb., 2 Taf., Schleusingen.
SCHMIDT-EFFING, R. (1972): Ein Ceratit mit Kieferapparat aus dem Muschelkalk des Saarlandes.-
Paläont. Z. , 46: 49-55, Stuttgart.
URLICHS, M. (2006): Dimorphismus bei Ceratites aus dem Germanischen Oberen Muschelkalk (Ammonoidea, Mitteltrias) mit Revision einiger Arten.-
Stuttgarter Beitr. Naturk., B, 363: 1-85., 10 Abb., 3 Tab., 11 Taf.; Stuttgart.