Das besondere Fossil

September 2008- Encrinus liliiformis LAMARCK 1816
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ca. 50 cm großes Handstück mit 2 jeweils 7 cm grossen Encrinus-Kronen mit anhängenden Stielstücken,
Oberer Muschelkalk, robustus-Zone, Diemeltal
Slg.: O. Schmid

Beschreibung:

Wie die See- und Schlangensterne, Seeigel und Seegurken gehören die Seelilien zur grossen Familie der Stachelhäuter (Echinodermata). Ihnen Allen gemeinsam ist ihr fünfstrahliger Körperaufbau.

Vorkommen:

Hauptvertreter der Seelilien des Oberen Muschelkalks ist die fixosessile Encrinus liliiformis. Sie hatte im Gegensatz zu Chelocrinus schlotheimi, Encrinus greppini und Holocrinus doraekae die grösste zeitliche und räumliche Verbreitung. Encrinus liliiformis kann im Germanischen Becken über ihre Stielglieder von den Zwergfaunaschichten bis zur spiriferina-Bank (evolutus-Zone) nachgewiesen werden. Sie kam mitunter so massenhaft vor, dass ihre Stielglieder beispielsweise im Crailsheimer Raum, in Nordhessen und im angrenzenden Weserbergland auf 10 bis 15 m annähernd gesteinsbildend auftritt und hier faziell den Trochtenkalk im eigentlichen Sinne bildet.

Lebensraum:

Encrinus liliiformis lebte gesellig und besiedelte die flacheren und ruhigeren Bereiche des Muschelkalkmeeres. Über einen bis zu 2 Meter langen Stiel und ein Haftorgan war die 10-armige Krone am Meeresboden auf Hartgründen verankert. Wo sie massenhaft auftrat bildete sie mit anderen Riffbildnern wie den Austern Newaagia und Enantiostreon ganze Riffe, sogenannte Muschel/Krinoiden-Bioherme. Die Bioherme stellen flache, kissenartige Strukturen bis zu einer Ausdehnung von einigen Metern Breite dar, die den schlammigen Meeresboden aber nur knapp überragten. Wo geeignete Hartgründe für die Besiedlung in den Hintergrund traten bewuchs Encrinus liliiformis neben Kalkgeröllen als Epöke andere organische Hartteile wie Myalina blezingeri, einzelnen Austern, Stiele von lebenden Artgenossen und seltener auch Mytilus eduliformis, Plagiostoma striata und Coenothyris vulgaris.


Abb. 2: von links nach rechts: discoide Haftscheibe Größe 3,5 cm, Zwischenschichten - Coenothyris vulgaris mit Haftorgan über dem Schloß, pulcher-Zone, Größe 4,2 cm - Substratabformende Seelilienwurzel mit nicht fossil überliefertem Substrat, Größe des Stielstücks 6,5 cm


Lebensweise:

Encrinus liliiformis hat aller Wahrscheinlichkeit nach in sauerstoffreichem, klarem Meerwasser mit stabiler Salzkonzentration gelebt. Mit ihrer an den 10 trichterförmig ausgebreiteten Armen anhängender Pinnulae filtrierte Encrinus liliiformis hochaufgerichtet über dem Meeresboden Kleinstlebewesen aus dem Wasser. Der im oberen Teil flexible Stiel ermöglichte die beste Ausrichtung der Krone im Wasser. Bei sich plötzlich verändernden Lebensbedingungen wie einsetzender Tontrübe reagierte das Tier mit dem Schliessen der Krone, im schlimmsten Fall mit dem Abwurf der Arme. Hiervon zeugen isoliert fossil überlieferte Arme mit noch anhängender Pinnulae. Die abgetrennten Gliedmaßen konnten später, wie bei anderen Stachelhäutern auch, wieder regeneriert werden.
Wurde Encrinus liliiformis durch Stürme vom Substrat losgerissen konnte es das abgerissene Stielende mit Kallus verschliessen und so wohl einige Zeit auch ohne Verankerung überleben.


Abb. 3: links: 11 cm grosse Krone mit regenerierter Armspitze, pulcher-Zone - rechts: 6,5 cm grosse isolierte Krone mit 7 altregenerierten Armen, pulcher-Zone


Fossile Überlieferung:

Da die Lilien beginnend mit der empfindlichen Pinnulae nach ihrem Tod rasch zerfielen, konnten komplette Exemplare nur dann fossil überliefert werden, wenn ein hochenergetisches Ereigniss zur plötzlichen Verschüttung der Kolonien führten. Solche Verschüttungslagerstätten sind aus verschiedensten Schichtgliedern der Trochitenkalk-Formation bekannt und relativ gut dokumentiert.

Literatur:

HAGDORN, H. (1978): Muschel/Krinoiden-Bioherme im Oberen Muschelkalk (mo1, Anis) von Crailsheim und Schwäbisch Hall (Südwestdeutschland) - N. Jb. Geol. Paläont. Abh.; 156, 31-86, Stuttgart
HAGDORN, H. (1982a): Epökie von Encrinus Liliiformis auf Coenothyris vulgaris (v. Schlotheim) - Veröff. Natkde.-Mus. Bielefeld; 4, 35-38, Bielefeld
HESSE, R. (1991): Untersuchungen an einem monotypischen Fund von Encrinus Liliiformis aus dem Oberen Muschelkalk bei Bad Driburg - Geol. Paläont. West.; 19, 7-46, Münster
LINCK O. (1954): Die Muschelkalk-Seelilie Encrinus Liliiformis, Ergebnisse einer Grabung. - Aus der Heimat, 62, 225-235, Öhringen
LINCK O. (1965): Stratigraphische, stratinomische und ökologische Betrachtungen zu Encrinus liliiformis LAMARCK. - Jh. geol. L.-Amt Baden-Württemberg, 7, 123-148, Taf.14-17, Stuttgart
WEISSMÜLLER, A. (1998): Ein umfangreicher Fund von Encrinus Liliiformis Lamarck im Oberen Muschelkalk (mo2) des Diemeltales (Nordhessen) - Philippia, 8/4, 245-270, 21 Tafeln, Kassel